Ich bin für Zeit und Ewigkeit gemacht

Verzaubernde Momente bei dem Tübinger Künstler
Herbert Rösler und seiner Gruppe 91

Strahlende, ungläubig verzückte große Augen bekommt,
wer Herbert Röslers Ausstellungshalle in Tübingen besucht. Gemalte und gestaltete Träume
werden hier zur Realität und bezaubern unweigerlich.
Man betritt eine andere Welt, wird entrückt und bleibt dennoch ganz auf dem Boden
der Tatsachen.
Zu Beginn trifft man – meist eher zufällig – auf einen freundlichen
Herrn. Mit einem schönen Gedicht lädt er den Besucher
in die Ausstellung ein, schließt mit den Worten: »Dies
ist mein Geschenk an Sie.« Eine außergewöhnliche Begegnung,
bevor man eine noch außergewöhnlichere Ausstellung betritt.

Die Tür der prosaischen Halle öffnet sich und man beginnt unweigerlich
über das ganze Gesicht zu strahlen wie ein Kind.
Bunt ist es, glänzend, formenreich.
Das Auge braucht Zeit, um aufzunehmen, was es sieht:
Deckenhohe, farbenfrohe Gemälde, kleine Zeichnungen,
Modelle von Kleidern, Schuhen, Schmuck, Bühnenmodelle,
Entwürfe für Cafés, Möbel aller Art.

Und nichts ist so, wie man es sich vorstellt. Wer möchte, wird von einer
der Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter Herbert Röslers
durch die Ausstellung begleitet und erfährt, dass
der Künstler nur noch auf einem Auge sieht – ganze zehn Prozent.
Wer den eigenen Eindrücken folgen möchte, ist eingeladen,
dies zu tun, alles ist ganz unaufdringlich.
Sind genügend Besucher anwesend, geschieht die Kunst auch
auf der Bühne: Spontane Performances der Künstler, die sich
um die zentrale Figur Herbert Röslers gesammelt haben, entstehen,
Gedichte und Märchen in einer feenhaften Umgebung
ziehen die Besucher in ihren Bann.
Man beginnt sich unweigerlich zu fragen: Wer ist Herbert Rösler,
was treibt ihn an, woher kommen seine zahllosen Inspirationen?
»Ich verfolge ein Ziel: Ich möchte den Menschen eine
Hoffnung wiedergeben, die gerade am Schwinden ist«, bringt
der Künstler seine Bestimmung auf einen Nenner. Seine Quelle
der Inspiration ist die Sicherheit, dass Jesus wieder auf die
Erde kommt und mit ihm Frieden und Glück.
Der Auftrag Herbert Röslers: Den Menschen durch seine
fröhliche Kunst einen Vorgeschmack zu bieten auf die bunte,
glückliche Zeit, die kommen wird, in der es kein Leid, keinen
Krieg und keinen Streit mehr geben wird. »Es ist der Stil Gottes. Alles stimmt in
dieser neuen Welt: Die Architektur, jede Straße, die Mode, alles Design – einfach
alles«, ist Rösler überzeugt.
»In dieser neuen Welt werden wir wieder mit den Händen arbeiten, nicht arbeitslos
neben einer Maschine sitzen. Es ist so schön, in Frieden zu leben.«

Die Gruppe 91 – seit über 30 Jahren zusammen – lebt diese
Zukunft schon heute. Alle acht – man ist versucht, sie Jünger zu
nennen – Gruppenmitglieder sind beseelt vom Auftrag ihres
Meisters, setzen seine Entwürfe um. Gibt es unter ihnen ab und
zu Unstimmigkeiten oder Streit?»Nein, keineswegs. Warum
auch«, erklärt Herbert Rösler erstaunt.
»Das nimmt viel zu viel Energie. Wir verstehen uns und
sind glücklich.« Man mag es glauben. Die Gruppe
besteht seit über 30 Jahren, die Harmonie scheint greifbar.
Gibt es ein Ende? Wer wird die Aufgabe Herbert Röslers fortsetzen,
wenn er einmal stirbt?
»Sterben? Das mache ich nicht mit«, lacht er. »Ich lebe ewig,
wir alle hier leben ewig.« Das klingt überzeugend.

wolken bild

Die Ausstellung von Herbert
Rösler im G 91-Bau an der B 28
Richtung Reutlingen gelegen,
hat jeden Sonntag von 15 bis 20
Uhr geöffnet, zusätzlich nach
Vereinbarung unter Telefon
(0 70 71) 4 53 75. Die Galerie
an der Steinlach ist geschlossen.

Artikel vom Freitag, 19. Juli 2002
im Schwäbischen Tagblatt, Tübingen